Der Djemaa El Fna, der Platz der Gehenkten in Marrakesch ist Schauplatz täglich neuer Darbietungen von Schaustellern und Gauklern, die den Marktplatz mit Tanz, Gesang, Geschichten, Akrobatik, Zauberei und Wahrsagerei erfüllen. In Kreisen, den sogenannten "Halqas", steht das Publikum um die Performer und Geschichtenerzähler herum und lässt sich deren Wissen und Können vorführen. Seit 2001 wird der Platz zu den UNESCO-Meisterwerken des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit gezählt. 

Die begehbare interaktive Raumskulptur von Thomas Ladenburger und Hannes Nehls transformiert diese Darbietungen und macht sie mithilfe der Technologien von Projektion, Licht, Film und Akustik gegenwärtig und neu erfahrbar. Die performativen Darbietungen, und in gewisser Weise der Platz selbst, erfahren durch die Installation eine virtuelle Wiederauferstehung und Neubelebung. Die Installation wird vorläufig in Berlin und Paris gezeigt werden.

Der Besucher betritt einen großen dunklen Raum, indem unzählige strahlende Stoffbahnen scheinbar frei schwebend flanieren. Es sind schmale Bahnen eines leichten, doch groben Stoffes, der an traditionelle marokkanische Kleidung, die Fokiah oder Djellaba erinnert. 

Elegant und präzise schweben diese Bahnen durch den Raum, als würden sie einer fremd bestimmten Choreographie folgen. Aus der Tiefe des Raumes erklingen Töne: Momentaufnahmen der Halqas des Djemaa El Fna. Wie der Besucher selbst, richten sich diese beinahe erhabenen Bahnen auf den Ursprung des Klanges, wandern gemächlich in dessen Richtung und reihen sich ein in den Kreis einer nicht-existenten Zuhörerschaft, ganz so, als würden sie zuhören. 

Nähern sich diese Stoffbahnen dem klanglichen Nukleus, bringen Projektionen von Bewegtbildern sie zum leuchten. Bildwelten von den Halqas des Djemaa El Fna reflektieren an ihrer Oberfläche. Auch der Besucher selbst geht auf Tuchfühlung. Er ist eingeladen, die Tücher zu berühren und sich einen Weg durch sie hindurch zu bahnen. Die einzelnen Stoffbahnen interagieren mit ihm. Sobald er an sie herantritt oder gar berührt, weichen sie zur Seite, machen ihm den Weg frei oder öffnen den Blick in die Mitte des Kreises, zur Tonquelle und Projektion. 

Wie der Platz Djemaa El Fna in Marrakesch befindet sich die gesamte Installation in ständigem Wandel.

 

Kultureller Reichtum und Vielfalt manifestieren sich bekanntlich nicht nur in herausragenden Schriften, Bildwerken, archäologischen Stätten und architektonischen Räumen, sondern ebenso in sehr viel vergänglicheren lebendigen Ausdrucksformen, wie Musik, Tanz, Gesang und mündlicher Überlieferung. 

Diese immateriellen Kulturformen zu erhalten und zu schützen ist das Anliegen des UNESCO-Programms „Meisterwerke des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit“. Im Jahr 2001 wurde das lebendige Ensemble des Platzes Djemaa El Fna in Marrakesch — zumimmateriellen Weltkulturerbe ausgerufen. 

Auf diesem sehr belebten großen Platz Djemaa El Fna – dem Platz der Gehenkten – fließen die unterschiedlichsten Strömungen von vitalen, archaischen Überbleibseln der immateriellen Künste zusammen; der Platz ist ein wahres Auffangbecken, ein Konzentrat der mündlichen und gestischen Überlieferungen, wie sie vormals in ganz Marokko verbreitet waren. Hier haben sie sich am längsten und relativ ungebrochen erhalten.